Pachtverträge aus DDR-Zeit müssen nicht gekündigt werden

„Wie geht es weiter mit den Garagen aus DDR-Zeit, die einst auf fremdem Grund und Boden von den Nutzern selbst gebaut wurden?

Diese Frage wird derzeit in vielen Städten und Gemeinden unterschiedlich behandelt und kontrovers diskutiert. In den meisten Fällen gehören Grund und Boden den Kommunen oder deren Gesellschaften, seltener Stiftungen, der Kirche oder Privatpersonen. Viele Kommunen haben erklärt, dass sie an den bestehenden Vertragsverhältnissen mit den Garagennutzern festhalten wollen, andere jedoch haben jetzt mit Verweis auf das Schuldrechtsanpassungsgesetz Kündigungsschreiben verschickt. In einigen Fällen wird sogar behauptet, die Garagen seien nun automatisch und entschädigungslos an die Grundstückseigentümer gefallen. Doch wie ist die Gesetzeslage tatsächlich? Dazu war der VDGN in den vergangenen Wochen Gesprächspartner der Presse oder bei Leserforen großer Tageszeitungen. Auch an dieser Stelle sollen noch einmal leider häufig anzutreffende Irrtümer und Behauptungen ausgeräumt werden.

-Irrtum Nummer 1:

Alle Garagen seien zum Jahreswechsel per Gesetz in kommunales Eigentum übergegangen.

Wer noch Eigentümer einer Garage auf fremden Grund und Boden ist und einen alten DDR-Pachtvertrag für das Grundstück hat, für den gilt weiterhin das Schuldrechtsanpassungsgesetz. Darin ist geregelt, dass das selbständige Gebäudeeigentum solange fortbesteht, bis eine der beiden Seiten den DDR-Vertrag kündigt bzw. eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen wird. Erst, wenn das DDR-Vertragsverhältnis endet, geht die Garage in das Eigentum des Grundstückseigentümers über. Die Kündigung der DDR-Verträge, wie sie jüngst häufiger seitens der Kommunen erfolgte, ist also eine bewusste politische Entscheidung. Die Kommunen müssen das nicht tun. Es gibt dafür keine gesetzlich begründete Pflicht. Und sehr viele Kommunen kündigen auch nicht, denn de facto führt das ja zu einer Enteignung der Garageneigentümer.

-Irrtum Nummer 2:

Das Schuldrechtsanpassungsgesetz sei zum Jahreswechsel ausgelaufen. Der Grundstückseigentümer müsse deshalb jetzt kündigen, um die Garagen in sein Eigentum zu übernehmen.

Es gibt für dieses Gesetz kein Ablaufdatum. Es gilt also weiter, solange der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber nichts anderes beschließt. Mit dem 31.12.2022 endeten lediglich die bisherigen Bestimmungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes, nach denen die Garageneigentümer im Falle des Vertragsendes nicht zum Abriss ihrer Baulichkeit verpflichtet sind. Es kann also alles so weiterlaufen wie bisher, wenn auf beiden Seiten der Wille dazu besteht. Allerdings ist der Kündigungsschutz für Garagen bereits im Jahr 2000 ausgelaufen. Seitdem kann der Grundstückseigentümer die Pachtverträge jederzeit fristlos kündigen. Per Gesetz gehen die DDR-Garagen dann in sein Eigentum über.

-Irrtum Nummer 3:

Wenn der DDR-Vertrag gekündigt wird und die Garage an den Grundstückseigentümer übergeht, müsse dieser grundsätzlich keine Entschädigung mehr zahlen.

Zwar gibt es seit dem Auslaufen des Investitionsschutzes im Jahr 2007 keine Entschädigung mehr für den Zeitwert der Garage. Allerdings ist der Grundstückseigentümer nach wie vor zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, wenn sich der Verkehrswert des Grundstücks durch die Bebauung mit der Garage erhöht hat. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn
die Garage vom Grundstückseigentümer weitervermietet wird. Das gilt übrigens auch, wenn der bisherige Pächter kündigt oder zwischen beiden Seiten ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Die Entschädigungssumme wird in der Regel nach dem Ertragswertverfahren errechnet. Das heißt, wichtiger Maßstab sind die Erlöse, die der Grundstückseigentümer durch die Weitervermietung der nunmehr in seinem Eigentum befindlichen Garage erzielt. Der Anspruch auf Entschädigung kann im Zeitraum von bis zu drei Jahren nach Besitzübergang geltend gemacht werden.

-Irrtum Nummer 4:

Eigentumsgaragen sollen grundsätzlich nicht mehr weiterverkauft werden.

Es stimmt, dass die Garage nicht ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers weiterverkauft werden kann. Aber nach wie vor gibt es eine ausdrücklich vom Bundesjustizministerium empfohlene Möglichkeit, den Verkauf der Garage rechtssicher zu gestalten. Das ist der sogenannte Dreiseitige Vertrag, bei dem der Käufer der Garage mit Billigung des Grundstückseigentümers anstelle des bisherigen Nutzers in den alten DDR-Vertrag eintritt. Damit wird verhindert, dass das DDR-Vertragsverhältnis ausläuft, was dazu führen würde, dass die Garage automatisch an den Grundstückseigentümer übergeht.

Der Dreiseitige Vertrag muss also vom Verkäufer, dem Käufer und dem Grundstückseigentümer unterschrieben werden. Der Grundstückseigentümer ist jedoch nicht verpflichtet, einen solchen Vertrag zu unterschreiben. Übrigens: Für den Fall, dass der Nutzer verstirbt, tritt der gesetzliche Erbe in den weiterbestehenden Vertrag ein. Er wird dann Eigentümer der Garage.

-Irrtum Nummer 5:

Garageneigentümer hätten bei Verkauf des dazugehörigen Grundstücks kein Vorkaufsrecht mehr.

Vorkaufsrecht laut §57 des Schulrechtsanpassungsgesetzes gilt weiterhin. Und zwar dann, wenn der Grundstückseigentümer erstmalig einen Kaufvertrag mit einem Dritten bereits abgeschlossen hat. Das muss er dem bisherigen Nutzer anzeigen. Der muss dann binnen zwei Monaten nach Erhalt der Mitteilung verbindlich erklären, ob er bereit ist, das Grundstück zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen, die der Grundstückseigentümer mit einem Dritten ausgehandelt hat. Im Gesetz heißt es zwar einschränkend, dass das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden kann, wenn die Interessenten mehr als die Hälfte der überlassenen Fläche nutzen. Wenn jedoch zum Beispiel eine Garagengemeinschaft das gesamte Areal des Garagenhofes kaufen will, sollte das gegeben sein. Voraussetzung ist, dass die Gemeinschaft die Rechtsfähigkeit erlangt.

-Irrtum Nummer 6:

Auch Garageneigentümer mit alten DDR-Pachtverträgen müssen jetzt Umsatzsteuer zahlen.

Wer noch einen gültigen DDR-Pachtvertrag aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 hat, kann sich auf eine gesetzliche Sonderstellung berufen. Demnach wird weiterhin keine Umsatzsteuer fällig. Darauf hat das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des VDGN noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Es gibt jedoch Kommunen, die das Steueränderungsgesetz aus dem Jahr 2015 falsch verstanden haben und auch den Grundstückseigentümern mit DDR-Vertrag eine Erhöhung der Pacht um 19 Prozent Umsatzsteuer angekündigt haben. Das müssen die Kommunen zurücknehmen oder sie haben es bereits getan. Betroffene sollten also ihr Vertragsverhältnis noch einmal genau prüfen und ggf. Einspruch gegen die Steuererhebung einlegen.


Quelle: Hagen Ludwig in Das Grundstück Journal des VDGN 09/10-2023“